Schilderungen aus dem Buch Schwarzer Hals - Gelbe Zähne
"Einige sagen es war die Abenteuerlichste Auswärtspartie überhaupt"
12.000 Zuschauer im Stadion des Armeesportvereins, Kirsten fliegt mit glatt rot vom Platz, Gütschow trifft zur Führung.
Dynamo stand vor seinem wohl größtem Triumph im Europapokal, der Einzug ins Halbfinale. Was damals noch keiner ahnen konnte, das knapp 9 Monate später die DDR und der Eiserne Vorhang fällt. Rückblickend betrachtet waren die Anzeichen in Rumänien zum damaligen Zeitpunkt bereits äußerst prekär.
800 Leute fuhren ohne Eintrittskarte 30h nach Bukarest. Man wusste das es in Rumänen nichts gab, gar nichts und so wurde alles eingepackt was man tauschen konnte. Zigaretten,Seife,Rasierklingen,Würste,Klamotten. Einer hatte sogar die alten Tangas seiner Kirsche dabei.
" Als wir in den Karpaten, Brasov ankamen dachte ich der Krieg geht los, dort standen echt tausend Rumänen, wir dachten die wollen den Zug stürmen. Die wollten aber alle nur tauschen. Einer wollte meine Hose kaufen der war so mickrig der hätte sich ein Zelt daraus nähen können. Die hatten Geld ohne Ende, ganze Bündel hielten die in der Hand aber die konnten sich nichts dafür kaufen. Wir sahen später Kaufhäuser so groß wie das Karstadt, dort gab es nichts anderes außer einer Sorte Waffeln."
"In Bukarest dann der blanke Kulturschock, ich habe in meinem Leben noch nie soviel Elend gesehen, Kinder hatten keine Schuhe den wurden die Jogginghosen als Fußlappen zusammengebunden, dann rollte da einer an uns vorbei ohne Beine auf einem Brett, es war das reinste Mittelalter. Der ganze Bahnhof voll mit Gestalten und kein Licht, dunkel wie im Affenarsch"
" Ein paar Ex Dresdner mit BRD Pässen und D-Mark schlenderten ins Hotel und buchten 50 Betten. Als dann 48 Ostpässe auf dem Tresen landeten schlief denen die Fresse ein. Mit D-Mark ging alles. Jedenfalls kostete eine Übernachtung 100 Mark. Ich weiß nicht ob die kein anderes Wort kannten, alles kostete 100 Mark wirklich alles. "
" Es gab insgesamt 4 verschiedene Karten: weiße ,rote,blaue und gelbe aber jede Karte 100 Mark. Kein Schwein wusste für welchen Bereich die waren und soviel Geld hatten wir auch nicht. Ein West Kumpel bot denen 10 Mark die lehnten ab, holte dann aber solche Wegwerf Uhren ausm Aldi für 1,99 aus der Tasche. Eine Uhr eine Karte die waren total begeistert."
" Das Frühstück war eine Geschichte für sich: Drei fettige Salami Scheiben und ne Art Rührei mehr gabs nicht. Mich haben die übrigens vergessen. Und in der ganzen Stadt gabs nichts zu fressen. Wir haben nach irgendwas gesucht Kneipe,Gemüsestand, Bäcker. Es gab aber nichts. Gar nichts in ganz Bukarest".
" Am Stadion ging das Theater richtig los, die Rumänen hatten beschlossen uns nicht rein zulassen, es wurden 3 Ringe ums Stadion gezogen. Man konnte froh sein wenn man seine Karte noch behalten durfte. Andere wurden bereits Stunden vorher ins Stadion gelassen um ihre Fahnen aufzuhängen. Als aber alle Fahnen hingen hat die Securitate alle aus dem Stadion geprügelt. Daraufhin sammelte sich der ganze Dynamo Mob und stürmte die Botschaft DDR. So stolz waren wir noch nie auf unser Land, der Botschafter tobte vor Wut. 300-400 Dynamos waren hereingestürmt. der Botschafter trieb dann einen UEFA Beobachter auf - ich glaub ein Schweizer - der sagte klipp und klar das Spiel wird nicht angepfiffen wenn wir nicht reinkommen."
"...das war ein einziges hickhack: Wer darf rein? das Stadion war schon proppevoll, es war einfach kein Platz mehr für uns. Das hat sich dann aber relativ schnell geklärt. Die sind mit ihren Leuten umgegangen, das war übel Die Securitate war extrem, viel schlimmer als die Stasi.Dagegen waren unsere Kindergarten"
"Eine Kurve im Stadion war braun komplett braun, dort standen nur Soldaten - einer hatte ein Megafon - und brüllten die ganze Zeit VIK-VIK-VIK-Viktoria. Nachdem Spiel tauchten bei uns noch im Hotel die Ultras von Sampdoria Genua auf, die mussten am nächsten Tag gegen Steua oder Dinamo ran. Mit denen haben wir noch gemütlich Bier getrunken und schön geschwatzt."
" Bei Einbruch der Dunkelheit brachten uns dann die Bukarester Bullen zum Bahnhof. Durch Gegenden sind wir da gelaufen. Das war gruselig - alles total fertig. Gasleitungen quer über die Straße, kein Licht nur dunkle Gestalten. Die Leute haben dort Abends den Sprit aus ihren Autos gepumpt weil der ja geklaut werden könnte. Am Bahnhof folgte der nächste Höhepunkt, der N. hatte noch 2 Salamis übrig, da kam ein Rumäne an und wollte die haben. Naja klar kein Problem, da geht der Weg und kommt mit 2 kleinen Mädchen an und meint, eine Tochter für eine Salami und wir könnten die sofort mitnehmen. Unglaublich!"
"Als wir dann in Bad Schandau auf DDR Gebiet fuhren rief der Schaffner wir begrüßen die Anhänger von Dynamo Dresden. Da fiel uns allen ein Stein vom Herzen"