Es gibt sie nun schon über 130 Jahre, seit dem 01. Dezember 1889, die 'BSg-Linie', wie sie nach dem sächsischen Streckenbezeichnungssystem heißt. Und anscheinend ist sie "unsterblich"...
Daran glaubte nicht zu jeder Zeit jedermann.. Denn in den Nachwendejahren sah es überhaupt nicht gut für sie aus - tatsächlich wurde der Reiseverkehr dann auch zum 27.09.1997 abbestellt. Der Güterverkehr, mit Ausnahme des kurzen Abschnitts Schwarzenberg(Erzg) - Grünstädtel, überlebte schon die Bahnreform nicht und endete Ende 1994.
Einige Jahre lag sie vollkommen brach, glücklicherweise "vergriff" sich niemand an der Infrastruktur. Bis dann die DB Netz-Tochter "Erzgebirgsbahn" gegründet wurde, die auch die Anschlußstrecken Flöha - Weipert (Vejprty) und Zwickau(Sachs)Hbf - Johanngeorgenstadt betreibt. Schnell war klar, daß diese Strecke allein schon zum Fahrzeugaustausch gebraucht wird und Bestand haben muß. Die Erzgebirgsbahn übernahm folgerichtig diese Infrastruktur mit.
Allein für gelegentliche Überführungsfahrten war es auf Dauer natürlich zu teuer, diese an Kunstbauten reiche Strecke zu unterhalten. Es mußte ein Nutzungskonzept her. Als Glücksumstand erwies sich dabei der bereits im ehemaligen Bw Schwarzenberg(Erzg) ansässige "Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde" (VSE), selbst EVU und mit eigener Fahrzeugflotte.
So entstand schließlich zusammen mit den regionalen Tourismus-Organisationen, dem Erzgebirgskreis, der Erzgebirgsbahn, dem VSE und weiteren Partnern das Projekt "Erzgebirgische Aussichtsbahn", wobei der Name schlichtweg von der ehemaligen Strecke Scheibenberg - Zwönitz - Stollberg(Sachs) "gemopst" wurde - aber das interessierte nach so langer Zeit kaum noch jemand..
Doch von heute auf morgen ging das nicht, es vergingen noch Jahre, bis das Projekt tragfähig war. 2009 startete es - und entwickelt sich seitdem, nach diversen Höhen nund Tiefen, immer mehr zum Tourismusmagnet. Man darf vielleicht sagen, daß es einer guten Zukunft "entgegenfährt"..
Zum Einsatz kommen gewöhnlich LVT-Garnituren (Ferkeltaxen), zu diversen Anlässen verkehrt auch ein Dampfzug.
Mittlerweile vereinen sich auf dieser Strecke Alt und Neu zu einer beinahe traumhaften "Symbiose", denn seit 2018 ist sie Teil des „Living Lab“ von DB Netz, einer aus Teststrecke, Testfahrzeugen und besonderen betrieblichen Prozessen bestehenden Laborumgebung. Unter der Woche werden hier Fahrten unter ECTS Level 3 erprobt, während sie am Wochenende, wenn geplant, dem Tourismusverkehr zur Verfügung steht.
Das sind 'Säulen', auf denen eine Strecke existieren kann - wer hätte das vor 20 Jahren gedacht..
Nun - eine solche Entwicklung ist natürlich bewundernswert, dennoch war hier einmal auf ganz andere Weise mächtig Betrieb. Das sollte nicht vergessen werden, auch wenn sich nur Ältere noch daran erinnern. Der Autor war selbst 1976/77 als Aufsicht in Annaberg-Buchholz Süd tätig (die alte 'Aufsichtsbude' auf Bahnsteig 2 ist im Video gleich am Anfang zu sehen). Damals gab es täglich 3 Nahgüterzüge "über den Berg", wie die Richtung Schwarzenberg umgangssprachlich hieß. Und für alle war planmäßig Schiebedienst bis zum Scheitelpunkt km 2,9 vorgesehen! Die Schiebelok fuhr ungekuppelt und kehrte vom Scheitelpunkt leer nach Annaberg-Buchholz Süd (umgangssprachlich 'Buchholz') zurück. Es war die absolute Ausnahme, wenn sie mal nicht gebraucht wurde!
Als Frachtziele dominierten neben dem Wagenladungsknoten Schlettau(Erzg) vor allem Crottendorf ob Bf, aber auch Scheibenberg hatte umfangreichen Empfang und Versand. Dagegen wurden in Richtung Schwarzenberg(Erzg) hauptsächlich Leerwagen abgefahren, und Richteinheiten, für die ein Laufweg über Zwickau einfach effektiver war als über Hilbersdorf. Das waren aber nicht übermäßig Viele.
Doch in den Siebzigern stieg das Volumen im Güterverkehr schon derart gewaltig an, daß es Richtung Hilbersdorf ständig zu Rückstau kam. Um dem ein wenig Entlastung zu bieten, wurden teilweise passende Richteinheiten statt nach Hilbersdorf "über den Berg" abgefahren. Das führte fast täglich am Abend zu einem "Spektakel" der Extraklasse, wenn sich der Nahgüterzug 61964 Stunde 19 mit 3 x BR 86 auf die Reise machte! Vorspanne bis Scheibenberg und Schiebe bis zum Scheitelpunkt, so verließ die "Fuhre" den Bahnhof - ein Traum! Und das jeden Tag, unbemerkt von Fotografen aus aller Welt...
Wer den Bahnhof Annaberg-Buchholz Süd heute sieht, wird wohl geneigt sein, diese Zeilen als "Hirngespinst" abzutun - aber nein! Das war tägliche Realität! Um so mehr - und das macht auch die positive Entwicklung der Neuzeit nicht wett - tut es weh, wie das alles zu Grunde gehen mußte! Aber - lange vorbei...
Sorgenkind der Strecke war fast zeitlebens der Personenverkehr, die Bahnhöfe lagen teilweise ungünstig, besonders in Scheibenberg. Und die Buskonkurrenz war immer groß, zumal der Bus bis nach Annaberg in die Stadt hoch fuhr. Es hätte Konzepte wie dem heutigen gebraucht, um daran etwas zu ändern, aber da war kein Interesse.
Doch nun - gute Reise!