Рет қаралды 22,229
Johannes Brahms ∙ Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77
00:00 - Allegro non troppo
23:25 - Adagio
32:08 - Allegro giocoso, ma non troppo vivace
Deutsche Radio Philharmonie
Pietari Inkinen, Dirigent
Vadim Gluzman, Violine
Congresshalle Saarbrücken ∙ Freitag, 14. Dezember 2018
-------
Johannes Brahms hat bekanntlich nur vier Sinfonien komponiert. Manche sagen allerdings, es seien in Wirklichkeit acht gewesen - die Rechnung geht auf, wenn man seine vier Instrumentalkonzerte hinzuzählt: die beiden Klavierkonzerte, das 1877/78 entstandene Violinkonzert und das Doppelkonzert für Violine und Violoncello. Das ist insofern berechtigt, als Brahms’ Konzerte nicht gerade typische Vertreter ihrer Gattung sind. Normalerweise wechseln sich ja in einem Konzert Solo und Tutti blockweise ab, wobei die Solo-Abschnitte vom Orchester nur dezent untermalt werden. Dagegen zeigt sich bei Brahms, wie schon häufig bei Mozart und Beethoven, der Solopart eng in ein sinfonisches Gewebe verflochten. Er ist durchaus virtuos - im Sinne von spieltechnisch schwierig. Schließlich war Brahms ein hervorragender Pianist, der seine Klavierkonzerte auch für den eigenen Gebrauch schrieb. Und im Falle des Violinkonzerts wie auch des Doppelkonzerts beriet ihn sein Freund Joseph Joachim (1831-1907), einer der größten Geiger der Zeit, bei der Ausgestaltung der Solostimmen. Joachim bestritt denn auch die Uraufführung des Violinkonzerts am Neujahrstag 1879 in Leipzig. Dennoch steht bei Brahms die Spielkunst des Solisten nicht im Vordergrund. Es fehlt der starke Kontrast zwischen Solo und Tutti. Nur stellenweise ist die Solopartie thematisch führend, öfter umspielt sie girlandenartig die Melodien der Orchesterinstrumente oder ordnet sich in den Orchestersatz ein. Hexenkünste wie bei Paganini sind in einem Brahms-Konzert kaum zu erwarten - weshalb die Stücke von zeitgenössischen Hörern und Musikern oft als spröde und undankbar empfunden wurden. Über die Qualität der Konzerte, ihre hohe Kunstfertigkeit und ihre versteckten Schönheiten sagt das allerdings nichts aus.
Da Brahms sein Violinkonzert als ernsthafte sinfonische Komposition verstand, wollte er es ursprünglich auch viersätzig anlegen - wie eine Sinfonie. Zwar entschied er sich letztlich doch für die übliche Konzertform, in der zwei schnelle Sätze einen langsamen umrahmen. Aber zumindest der erste Satz wirkt in seinen Dimensionen wahrhaft sinfonisch. Er verarbeitet drei Themen von unterschiedlichem Charakter: Das erste, ein ruhiges, gesangliches Dreiklangsthema, erklingt gleich zu Beginn der Orchestereinleitung in den Bässen. Das zweite, energisch und von einem markanten Rhythmus geprägt, ist kurz vor dem ersten Einsatz der Sologeige in den Streichern zu hören. Und das dritte, in der Orchestereinleitung ausgesparte Thema darf die Violine selbst vorstellen; es ist eine nachdenkliche Walzermelodie über gezupfter Begleitung der Streicher und liegenden Bläserakkorden. Alle diese Gedanken werden in der für Brahms typischen Weise variiert, kombiniert und in kürzere Motive aufgespalten. Dieses Verfahren geht zwar auf Kosten der unmittelbaren Eingängigkeit der Musik, erlaubt aber beim mehrmaligen Hören immer neue Entdeckungen.
Ähnlich kunstvoll, wenn auch in bescheideneren Dimensionen, gestaltete Brahms die beiden folgenden Sätze. Das Adagio folgt einer recht einfachen dreiteiligen Anlage nach dem Formschema A-B-A. Allerdings ist sie nicht so leicht zu erkennen, wie man meinen sollte, da Brahms sein thematisches Material unentwegt abwandelt. Das Hauptthema wird zuerst von einer Oboe vorgetragen - ein Grund für Joseph Joachims großen Konkurrenten Pablo de Sarasate, das Konzert zu boykottieren. Er wollte zwar nicht leugnen, dass das an sich ganz gute Musik ist, weigerte sich aber, mit der Geige in der Hand zuzuhören, wie die Oboe dem Publikum die einzige Melodie des ganzen Stücks vorspielt. Das Finale ist ein Rondo, und hier darf die Sologeige endlich einmal von Beginn an im Mittelpunkt stehen: Sie trägt zuerst das „zigeunerisch“ angehauchte Hauptthema vor, bleibt im weiteren Verlauf thematisch führend und glänzt schließlich auch mit brillantem Laufwerk.