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Im erste Bild ist der Melker KZ-Überlebende Jozef Lewkowicz zu sehen, der im Sommer 2019 das ehemalige KZ-Areal in Melk besucht hat. Er befindet sich am früheren Appellplatz des KZ-Außenlagers Melk, der heute von den Soldaten der Pionierkaserne als Antreteplatz bezeichnet wird.
Auf diesem historischen Foto, vermutlich vom Frühjahr 1945, sind deutlich mehrere hundert KZ-Häftlinge zu sehen, die aufgereiht auf dem Appellplatz angetreten stehen müssen. Mehrmals täglich mussten die Häftlinge in dieser Weise antreten, wurden von SS-Blockführern durchgezählt und vor dem Abmarsch zur Zwangsarbeit von SS-Kommandoführern zu Arbeitskommandos zusammengestellt.
Danach rückten die Häftlinge zur Zwangsarbeit. Die Pfeile zeigen den täglichen Weg der Häftlinge. Streng bewacht und vielfach misshandelt wurden sie im Gleichschritt den Hügel hinab durch die Stadt Melk getrieben bis sie den sogenannten „KZ-Haltepunkt“ erreichten. Auf diesem eigens errichteten hölzernen Verladebahnhof wurden die Häftlinge in Güterzüge gepfercht und zu den Stollen nach Roggendorf gebracht. Auch dort wurde ein KZ-Haltepunkt errichtet. Die Arbeit im Stollen wurde in drei Schichten zu je acht Stunden durchgeführt. Am Ende der Schicht kehrten die Häftlinge ins Lager zurück.
Mehrmals täglich durchquerten 1.000e KZ-Häftlinge die Stadt. Der Marsch der geschundenen und misshandelten Häftlinge war für die Bevölkerung gut sicht- und hörbar. Eine Zeitzeugin aus Melk erzählte mir einmal, dass sie sich bis heute an das charakteristische Klackern tausender Holzschuhe erinnern kann, das sie als Kind Tag für Tag gehört hatte, wenn die Häftlinge an ihrem Wohnhaus vorbeimarschierten. Michael Kraus hat diese Holzschuhe gezeichnet.
Wieder im Lager mussten die Häftlinge wieder am Appellplatz antreten. Die Summe der Heimgekehrten musste exakt jener Zahl der acht Stunden zuvor Ausgerückten entsprechen. Andernfalls mussten die Häftlinge so lange am Appellplatz stehen, bis der Fehler geklärt war. Für die KZ-Häftlinge bedeutete das, dass sie alle während des Tages gestorbenen oder ermordeten Kameraden ins Lager zurückschleppen mussten. Diese grausame Prozedur hat Daniel Piquee-Audrain auf seiner Zeichnung dokumentiert.
Der Appellplatz taucht wiederholt in Erzählungen oder auf Zeichnungen ehemaliger KZ-Häftlinge auf, wie etwa hier auf der Zeichnung mit dem Titel „Appell“ von Michael Kraus.
Nach Kriegsende war der Appellplatz auch Thema in Kriegsverbrecherprozessen. Der KZ-Überlebende Levi Amsterdam berichtete vor Gericht über den Wachmann Karl Fleck:
„Karl Fleck stand immer am Appellplatz und achtete darauf, dass sich niemand die Hosenbeine in die Schuhe steckte oder Papierstücke unter die Jacke stopfte. Denn wir waren sehr leicht bekleidet und jeder versuchte, das zu tun. Er hat jeden auf mörderische Weise geschlagen, den er dabei ertappte, dass er Papier oder ähnliches bei sich trug. Die Häftlinge waren in schlechtem Zustand und konnten keine gute Arbeit leisten. Wenn jemand auf dem Appellplatz kollabierte oder hinfiel, wurde er von Fleck getreten bis er erledigt war.“
Ebenfalls vor Gericht gestellt wurde Gottlieb Muzikant, rechts im Bild. Der SS-Sanitätsdienstgrad war für das sogenannte Häftlingsrevier verantwortlich und hat viele Melker KZ-Häftlinge mit Benzinspritzen ins Herz getötet. Unterstützt wurde er dabei auch von sogenannten Funktionshäftlingen, die Teil der Häftlingszwangsgesellschaft waren. Der Häftlingszwangsgesellschaft widmen wir uns im nächsten Teil unseres Rundgangs.
Quellen:
Bild 1: Antreteplatz Melk, Sommer 2019, Zeithistorisches Zentrum, C. Rabl / Bild 2: Appellplatz, USHMM / Bild 3: Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH; Markierungen: Zeithistorisches Zentrum, C. Rabl / Bild 4: Holzpantoffeln, Michael Kraus (Tagebuch 1942-1945: Aufzeichnungen eines Fünfzehnjährigen aus dem Holocaust, Metropol-Verlag 20215) / Bild 5: Daniel Piquee-Audrain, “Retour du Travail” / Bild 6: „Appell“, Michael Kraus (Tagebuch 1942-1945: Aufzeichnungen eines Fünfzehnjährigen aus dem Holocaust, Metropol-Verlag 20215) / Bild 7: Karl Fleck, NARA, RG 549, Cases Tried, 000-50-5-26, Box 402, Prosecution Exhibits / Bild 8: Gottlieb Muzikant, LG Fulda, 3 KS 1/60.
Text: Zeithistorisches Zentrum Melk, C. Rabl
Lesung Zitate: Melanie Grubner
Web: www.melk-memorial.org
Mail: info@melk-memorial.org
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