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Die westfälische Stadt Rheine, seit 1327 mit Stadtrechten ausgestattet, profitierte durch den Bau einer Eisenbahnlinie und des Dortmund-Ems-Kanales im 19. Jh., zu Zeiten der Industrialisierung siedelte sich vor allem Textilindustrie an. Durch den Bevölkerungszuwachs reichte die alte Stadtkirche St. Dionysius nicht mehr aus. Östlich der Altstadt entstanden neue Arbeitersiedlungen und Fabriken. Der damalige Dechant strebte schnell nach einer neu zu gründenden Pfarrei samt neuer Kirche. Nach Plänen des Architekten Johann Franz Klomp entstand im Osten der Stadt die neue Pfarrkirche St. Antonius. Als geistlicher Mittelpunkt inmitten von Industrie und Arbeitersiedlungen gedacht, wurde die Kirche auf einem künstlichen Hügel errichtet, was ihre imposante Erscheinung im Stadtbild mehr als unterstreicht. Vorbild für den 1905 fertiggestellten Bau war die rom. Basilika St. Michaelis in Hildesheim - daher rührt auch der in Rheine gebräuchliche Name „Basilika“. Der Ostchor zeigt Anklänge an die Choranlage von St. Godehard in Hildesheim, der 102,5 Meter hohe Turm zitiert die Domtürme von Soest und Paderborn. Aufgrund von Kriegen, Inflation und sich änderndem Zeitgeschmack wurde die geplante Gestaltung des Innenraums nie vollendet.
Zur Weihe der noch unvollendeten Kirche erklang zum Osterfest 1904 ein kleines, dreistimmiges Geläut der Gießerei Petit & Gebr. Edelbrock aus Gescher. Das wohl erste "richtige" Geläut der Basilika wurde 1919 gegossen, die Glocken jedoch erst 1921, zusammen mit dem von der Gießerei Junker, Brilon, gelieferten, gewaltigen Eichenholzglockenstuhl eingebaut. Der Wunsch nach einem repräsentativen Geläut und anzunehmender Geldmangel ließ die Wahl auf ein Stahlgeläut aus der Gießerei Buderus, Wetzlar fallen. Diese Gießerei fertigte in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg in Zusammenarbeit mit den Gießereien Humpert, Brilon und Rincker, Sinn Glocken aus Gußstahl nach einer höchstwahrscheinlich von Heinrich Humpert entworfenen Rippe. Klangliches Hauptcharakteristikum der immer im gleichen Schema gezierten Glocken sind ein zur None tendierender Unterton sowie eine stark, bis zur Terz, erhöhte Prime und erhöhte Terzen. Hierdurch erhalten die mitunter recht resonanzreichen Glocken ihren oft hohl wirkenden, manchmal kübelartigen Klang. In der vorgelegten Aufnahme ist bei den letzten Schlägen der a° +9 sehr schön der „Kampf“ zwischen Prime c‘+6 und Terz c‘ +15 zu hören. Das Geläut in Rheine stellt das umfangreichste und schwerste je in dieser Rippenform gegossene Geläut dar. Es ist, zusammen mit dem Glockenstuhl, ein eindrucksvolles Zeugnis für den Repräsentationswillen und den Stand der Glockentechnik der Zeit des ausgehenden Historismus und, nicht nur als Originalausstattung der Basilika, von allerhöchstem Denkmalwert. 2019 feiert das Geläut seinen 100sten Geburtstag - mögen die Klänge der Glocken noch lange Zeit über der Stadt Rheine zu hören sein!
Glockendaten:
1. Franz-August a° +9, 2125 mm, ca. 3960 kg
2. Georg c‘ +8, 1790 mm, ca. 2250 kg
3. Franz-Heinrich d‘ +5, 1590 mm, ca. 1660 kg
4. Antonius e‘ +4, ca. 1400 mm, ca. 1000 kg
5. Maria g‘ +5, ca. 1180 mm, ca. 600 kg
6. Agnes a‘ -1, ca. 1050 mm, ca. 450 kg
7. Aloysius c‘‘ +9, ca. 900 mm, ca. 270 kg
Alle Glocken 1919 von Buderus, Wetzlar und H. Humpert, Brilon. Die große Glocke trägt den Namen ihres Stifters, des Textilfabrikanten Franz August Kümpers, die Glocken 2+3 vermutlich Namen weiterer Familienmitglieder.
Aufnahme mit Minidiscrecorder: Pfingstmontag, 16.05.2005, zum Hochamt ab 9.45 Uhr.
Letztes Foto: Unveränderte Übernahme aus commons.wikimedia.org: Sharps, 2007
Alle anderen Fotos eigener Provenienz
Genutzte Quellen/Literatur:
Dr. K. Bund + J. Poettgen (Hrsg.): Jahrbuch für Glockenkunde, 3.-4. Band 1991/92, Deutsches Glockenmuseum (ehemals „auf Burg Greifenstein“) e. V., 1992, darin: Dr. Gerd Best + Theo Halekotte: Die ehemalige Glockengießerei Albert Junker - vormals Heinrich Humpert - in Brilon/Westfalen 1918 - 1957, S. 31-70
Weitere Informationen zum Geläut: Frdl. Mitteilung durch den Glockensachverständigen Th. Halekotte, Werl
Rudolf Breuing: Basilika St. Antonius Rheine (Kirchenführer), Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 1988/2008
KG Rheine: Die Basilika Sankt Antonius in Rheine - Kurzführer/Faltblatt, o. J.
Petit & Gebrüder Edelbrock Gescher i. Westf. - Zeugnisse, Prüfungsberichte und Anerkennungsschreiben, Coesfeld, um 1915.
Wikipedia-Seite zur Basilika Rheine, aufgerufen am 19.01.2019: de.wikipedia.org/wiki/St.-Ant...)
G. E. Köhler: Die Glockengiesser Rincker, Brühlsche Universitätsdruckerei Gießen, 1961, S.82
Netzseite der Glockengießerei Rincker, Sinn - Abschnitt zur Unternehmensgeschichte, aufgerufen am 19.01.2019: www.rincker.de/unternehmen/ges...